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Neu ab 20.10.22 in Bestbesetzung - Johannes B. Kerner trifft Iris Berben - „Ich habe selbst Molotowcocktails geworfen – und bin froh, dass ich in der 68er-Bewegung nicht abgedriftet bin“


Johannes B. Kerner spricht in seinem Talkformat Bestbesetzung bei MagentaTV, dem innovativen TV-Anbieter der Deutschen Telekom, mit großen Persönlichkeiten unserer Zeit. In der aktuellen Ausgabe, gestreamt ab dem 20. Oktober 2022, ist Iris Berben (72) zu Gast. Im Interview erzählt Deutschlands Schauspiel-Ikone von ihrer ambivalenten Beziehung zur katholischen Kirche und selbstgebastelten Molotow-Cocktails, dass sie niemals heiraten wird und über die Liebe zu sich selbst. Sie teilt Altersweisheiten und ihre Trauer über den frühen Tod ihrer Schauspielkollegin Charlbi Dean: Ihr letzter gemeinsamer Film „Triangle of Sadness“, Gewinner der Goldenen Palme in Cannes 2022, läuft aktuell in den Kinos an.

IRIS BERBEN über …
 
… das Leben im katholischen Internat: 
Im Internat mussten wir um 6 Uhr aufstehen und auf den Holzstufen kniend beten.
 
… die 68er-Bewegung:
Also, ich habe in Hamburg sicherlich ein paar Dinge gemacht, die ich mit meinem heutigen Wissen und meinem Respekt vor anderen Lebensformen in der Radikalität nicht mehr machen würde. Molotow-Cocktails … ja: gebastelt und geworfen. Wenn man heute an Molotow-Cocktails denkt, ist für mich sofort das Bild vom Heim für Flüchtende da. Lichtenhagen … alles das hast du plötzlich im Kopf und denkst: Du warst auch dabei.

Wir haben es damals gegen einen großen Verlag gerichtet. Ganz bewusst nicht gegen Menschen, aber wir wollten zerstören, natürlich. Ich bin froh, dass ich in der Zeit sozialisiert wurde und sicherlich auch politisiert wurde. Aber ich bin auch froh, dass ich nicht abgedriftet bin.
 
… die katholische Kirche:
Gerade was die katholische Kirche angeht und was sie versäumt hat und immer noch versäumt; wie sie sich immer noch dagegen sträubt, aufzuarbeiten und in eine Zeit hinein zu gehen und Menschen mitzuziehen und nicht wegzutreiben – all das bringt mich der Kirche nicht nah. Aber es bringt mich immer wieder zur Auseinandersetzung mit der Kirche.

Die Nonnen im Internat trugen ja einen Ehering – das hat mich so fasziniert! Also, es gab schon Zeiten, in denen ich dachte: Das könnte ich mir auch vorstellen.
 
… den Tod von Charlbi Dean:
Es ist nach wie vor ganz schwer, darüber zu reden. Weil wir alle miteinander verbunden sind. Über eine App schreiben wir uns ständig und versuchen uns mit Worten zu trösten. Das war so unerwartet und so aus dem Leben gerissen. Denn sie war, nein: Sie ist – ich werde das Wort war nicht benutzen – sie ist so ein lebenszugewandter Mensch, so offen und so voller Witz. Man hat ja auch so viel Zeit miteinander verbracht, wir waren in Griechenland auf dieser Insel so lange Zeit zusammen. Das ganze Leben noch vor sich … ich bin, wir alle sind fassungslos. Es ist so eine Gemeinheit!
 
… die Schönheit im Alter:
Wenn man jung ist, ist Schönheit sicherlich sehr stark beeinflusst von außen. Und sehr stark beeinflusst davon, welchem Blick man wie standhalten möchte. Heute ist es nicht anders. Diese vielen, vielen Blicke, die uns vorgeben, was Schönheit ist. Aber Schönheit im Alter hat schon damit zu tun, sie noch einmal anders zu bewerten. Menschen, die mit sich gut umgehen, die sich reflektieren, die sich analysieren, sind ja nicht immer in der Position, wo alles läuft, wo alles gut ist. Jeder von uns hat schmerzhafte Einschnitte und Zeiten erlebt, in denen man nicht präsent sein will. Aber wenn du einen guten „Grundzustand“ hast, zu dir und zur Welt, dann glaube ich, dass sich das im Gesicht eines Menschen, in seiner Schönheit auch zeigt.

Alt oder älter zu werden, ist ein Prozess. Es ist nicht so, dass ich immer besonders souverän damit bin. Nein! Die Kraft lässt nach, man lernt anders, selbst die Texte lernst du anders. Es ist eine ganz andere Anstrengung. Deine Speicherkarte wird ständig von so vielen Dingen und Einflüssen gefüllt, weil du auch an sehr viel mehr Leben teilnimmst, je älter du wirst. Du möchtest attraktiv bleiben, auch für dich selber, merkst aber auch, dass sich natürlich alles verändert.

Man braucht ein gutes Selbstwertgefühl, und ich glaube, es ist auch wichtig, gute Menschen um sich herum zu haben. Gute Freunde, einen Partner oder eine Partnerin. Einen Hund!
 
… gute Ernährung:
Ich esse alles, immer noch. Aber ich war immer schon auch jemand, der sehr darauf geachtet hat, wo ich einkaufe und was. Ich esse extrem viel weniger Fleisch, als ich es als junger Mensch getan habe.
 
… Beziehungen:
Ich habe zweimal im Leben das Glück gehabt, einen guten Partner an meiner Seite zu haben. Beim ersten Mal waren es über 30 Jahre, und jetzt sind es auch schon über 15 Jahre. Ich halte es nicht für selbstverständlich, dass man zweimal im Leben das Glück hat zu sagen: Da war ein guter Partner an deiner Seite, der ist in einer wichtigen und intensiven Zeit deines Lebens bei dir, und der hat dich geprägt. Und das zweimal! Und der jetzige, der ist es. Ich war nie verheiratet, das kommt auch nicht mehr.
 
Natürlich ist Trennung schmerzhaft, über 30 Jahre entwickelt man sich auch gemeinsam. Man geht durch viele unterschiedliche Höhen und Täler. Das macht etwas mit einem. Und deshalb ist vielleicht meine langjährige Beziehung mit Gabriel Levi darin geendet, dass er heute immer noch ein ganz, ganz fester Bestandteil meines Lebens und einfach ein guter Freund geworden ist.
 
… ihren Sohn Oliver Berben:
Ich gehöre zu denen, für die weder Krankheit noch Trauer in die Öffentlichkeit gehört. Das ist vielleicht die einzige Freiheit, die ich mir nehmen möchte. Man wird in einem öffentlichen Beruf – in dem ich gern bin – beurteilt, verurteilt. Man wird wahrgenommen. Und man setzt das ja oft ganz bewusst ein. In meinen Lesungen, meinen politischen Lesungen nutze ich ja meine Popularität.

Aber meine Form von Freiheit lasse ich mir in dem Moment nicht nehmen, wo es schmerzhaft wird, wo es Verlust gibt. Ich finde, das ist so intim! Und auch die Liebe ist etwas sehr Intimes. Ich möchte das also nicht ständig irgendwo im Blätterwald publiziert haben.
 
… „Der Nachname“:
 „Der Nachname“ ist wieder kammerspielartig und es ist dasselbe Ensemble wie bei „Der Vorname“. Es geht um die Familie – hier ist es die Mutter, die ihre Kinder zu sich kommen lässt – und um einen neuen Status in ihrem Leben. Sie ist ne coole Socke! Also, die kifft sich auch gern zu, hat gerne ihre Haschkekse und findet, dass ihre Kinder und deren angeheirateten Männer und Frauen eher alle ein bisschen spießig sind.
 
… ihr Engagement gegen Antisemitismus:
Klar macht einen das alles manchmal verzweifelt und man wird kurz tatenlos. Aber man darf nicht tatenlos sein. So wie man nicht sprachlos sein darf. Wenn du sprachlos bist, kommt nichts mehr. Und die anderen werden ja sehr viel lauter und auch sehr viel lauter wahrgenommen. Manchmal ist auch unsere Presse diejenige, die diese Lautstärke noch verstärkt. Ich bin immer so hin und her gerissen, weil ich denke, es wäre so wichtig, auch über die viele Menschen zu erzählen, die sich dagegenstemmen, dagegenstellen. Die in ihrem Umkreis so vieles organisieren und machen. Dass die wahrgenommen werden, macht anderen dann auch wieder Mut. Es macht wütend, es macht traurig, aber es darf nicht sprachlos oder tatenlos machen.
 
… das Alter:
Das ist schön! Es ist schön, eine reife Frau zu sein, weil man vieles besser ausdrücken kann. Man kann seine Wünsche besser formulieren, und man kann seine Abneigungen sehr, sehr gut formulieren.